Freitag, 9. März 2012

US-Auslandschweizer Opfer des Steuerstreits?

Immer mehr Auslandschweizer, insbesondere aus den USA, beklagen sich, dass Schweizer Banken ihnen die Konti gekündigt hätten. Viele von Ihnen fühlen sich als jahrzehntelange Kunden einzelner Banken nicht nur beleidigt. Nicht wenige sind auch auf ein Konto in der Schweiz angewiesen, sei es für den Empfang der AHV oder anderer regelmässiger Zahlungen wie Lebensversicherungen etc., seien es Freizügigkeitskonti der Pensionskassen, Sparen 3-Konti, Mietkautionsdepots etc. oder die Teilhabe an einer Erbengemeinschaft. Selbstverständlich gibt es auch Auslandschweizer, die in der Schweiz ein Konto für den Notfall unterhalten. Meistens handelt es sich um Bagatellbeträge. Aber wie Nachfragen bei grossen Schweizer Banken ergeben haben, machen solche Konti von Auslandschweizern rein anzahlmässig einen bedeutenden Teil jener Konti aus, die als vermeintlich unversteuerte „Schwarzkonti“ in Verruf geraten sind.
Wegen des Steuerstreites mit den USA, die Schweizer Banken mit existenzgefährdenden Klagen bedrohen, wenn sie nicht mit den USA-Steuerbehörden kooperieren, was wiederum wegen des Privatsphärenschutzes in der Schweiz problematisch ist, sind viele Banken daran, ihren Kundenbestand zu überprüfen. Sie haben anfangs 2012 Formulare verschickt, mit denen offengelegt werden muss, ob man US-Staatsbürger ist, ob man in den USA während einer längeren Zeit gearbeitet und gelebt hat, ob man eine Greencard besitzt etc. Dazu muss man neuerdings im Voraus deklarieren, ob man je beabsichtigt, US-Wertschriften zu erwerben. Damit wollen die Banken künftige Auseinandersetzungen mit den US-Behörden vermeiden. Banken, die über ein relativ geringes US-Privatkundengeschäft verfügen, aber auch Banken, die bereits in Untersuchungen der US-Behörden geraten sind, versuchen sich seit 2008 von solchen grenzüberschreitenden US-Kundenbeziehungen raschmöglichst zu trennen. Gerade weil es sich bei vielen Konti von US-Auslandschweizern um Bagatellbeträge handelt, die den administrativen Mehraufwand und die Reputationsrisiken nicht rechtfertigen, werden auch solche Kunden verabschiedet.
Wenn man die Probleme der Schweizer Banken mit den US-Steuerbehörden und die allenfalls betroffenen Gelder in den Depots oder Konti bei Banken in der Schweiz betrachtet, dann stellt man fest, dass 20-30% der amerikanischen Kundengelder auf Amerikaner, die in den USA leben, entfallen. Ein weiteres Drittel gehört Auslandschweizern, die in den USA temporär oder permanent leben. Ein ähnlich hoher Anteil betrifft aber auch US-Steuerpflichtige, die in der Schweiz oder zumindest ausserhalb der USA leben. Diese bleiben jedoch weiterhin in den USA steuerpflichtig. Damit unterscheidet sich das US-Steuersystem wesentlich vom schweizerischen. Die Schweiz besteuert mit Ausnahme der Immobilien die Steuerpflichtigen dort, wo sie wohnen. Wer nicht in der Schweiz wohnt, ist nicht in der Schweiz steuerpflichtig. In den USA ist hingegen nicht das Wohnsitzprinzip massgebend. So genannte US-Personen sind auch dann in den USA steuerpflichtig, wenn sie im Ausland wohnen. Dies kann zu grotesken Situationen führen, indem auch Leute in den USA steuerpflichtig werden, die noch nie in ihrem Leben einen Fuss auf den amerikanischen Kontinent gesetzt haben. Inskünftig wird diese Ausdehnung der US-Steuerhoheit noch umfassender werden (FATCA). Wenn beispielsweise ein Schweizer, der weder US-Staatsbürger ist, noch in Gütergemeinschaft mit einer Amerikanerin verheiratet ist, der noch nie in den USA tätig war, US-Wertschriften erwirbt oder erbt, riskiert er, dort steuerpflichtig zu werden. Da der Bundesrat die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug gegenüber ausländischen Kunden aufgehoben hat, stehen die Konti von US-Auslandschweizern den US-Behörden bei entsprechendem Auskunftsbegehren zur Information offen. Die US - Auslandschweizer riskieren deshalb schon wegen kleinen unversteuerten Notgroschen in der Schweiz kriminalisiert zu werden. Es besteht zwar kein physischer eiserner Vorhang zwischen der Schweiz und den USA, aber US-Steuerpersonen sind ebenso an ihr Land gekettet, wie dies für die Bürger des Ostblocks vor 1998 der Fall war.

Hans Kaufmann, Nationalrat (ZH)
Vorstandsmitglied der SVP International